Die Zeugen Jehovas, Abtreibung und in vitro Fertilisationen

"Es hilft nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechten!"

 

Dieter Hildebrandt    

(geb. 1927)   

Was tun bei Verweigerung einer Bluttransfusion?

Die Verweigerung eines Zeugen Jehovas an sich oder seinem Kind notwendige Bluttransfusionen vornehmen zu lassen, wirft in der ärztlichen Berufspraxis häufig Probleme auf. Das Verbot einer Bluttransfusion umfasst nämlich nicht nur die Fremdblutspende, sondern auch die Eigenblutspende. (Alles Blut, welches einmal den Körper verlassen hat, muss "entsorgt" werden.) 

Die Durchführung einer Hämodialyse oder der Einsatz einer Herz- Lungenmaschine sind allerdings, als Erweiterung des Kreislaufsystems durch ein Schlauchsystem, möglich. (Entscheidend ist, dass keine Zwischenlagerung des Blutes stattfindet)

 

Es sind hierbei zwei Fälle zu unterscheiden:

1. Der Patient lehnt die Bluttransfusion in Bezug auf sich selbst ab:

Der Patientenwille - in der Regel handelt es sich hierbei um eine Patientenverfügung - wird in diesem Fall, unter der Voraussetzung, dass dieser ausdrücklich oder unmissverständlich und nach sorgfältiger Aufklärung durch den Arzt vorliegt, zu respektieren sein, auch wenn der Patient stirbt! 

 

Merke: Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten steht an oberster Stelle!

 

Verliert ein Patient, der Zeuge Jehovas ist und eine Bluttransfusion abgelehnt hat, das Bewusstsein, läge es im Ermessen des Arztes, ob er eine lebensrettende Bluttransfusion durchführt oder nicht, da der Lebensschutz grundsätzlich vorrang hat. Der Arzt könnte sich darauf berufen, ob der Patient im Angesichts des Todes nicht doch der lebensrettenden Maßnahme zugestimmt hätte.

 

2. Der Patient lehnt die Bluttransfusion als gesetzlicher Vertreter eines anderen (meist des eigenen Kindes) ab:

Auch in diesem Fall wird der Arzt gegen den Willen der gesetzlichen Vertreter von Minderjährigen oder von Personen, die ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen können, eine notwendige Bluttransfusion vornehmen können. Bei vorhersehbar notwendigen Bluttransfusionen ist das Pflegschaftsgericht zu verständigen.

 

Merke: Im Notfall hat der Arzt nach den anerkannten wissenschaftlichen Methoden zu behandeln

 

Wenn Sie im Rahmen Ihrer ärztlichen Tätigkeit mit einem Zeugen Jehovas als Patient konfrontiert werden, rufen Sie sich bitte folgendes ins Gedächtnis:

Die Tatsache, dass eine Person ein Zeuge Jehovas ist, bedeutet nicht automatisch, dass diese Person keine Bluttransfusion erhält bzw. dieser nicht zustimmt.

Die Bluttransfusion muss von der betreffenden Person ausdrücklich verweigert werden, so wie auch andere Menschen eine Bluttransfusion aus Angst vor HIV- oder Hepatitis verweigern können. Ist der Patient dazu nicht in der Lage beispielsweise bei Bewusstlosigkeit, darf nicht von einer Verweigerung ausgegangen werden, ansonsten gilt dies als Unterlassung der Hilfeleistung !

Die Entscheidung, eine Bluttransfusion zuzulassen oder nicht, ist eine höchstpersönliche des betreffenden Zeugen Jehovas selbst. Wenn er eine Bluttransfusion in Anspruch nimmt, hat er keine religiösen Sanktionen zu erwarten!

Verliert ein Zeuge Jehovas, der eine Bluttransfusion abgelehnt hat, als Patient unter Lebensgefahr das Bewusstsein, ist ungewiss, ob er im Angesichts des Todes nicht doch einer Bluttransfusion zugestimmt hätte. Hier liegt es im Ermessen des Arztes, ob er eine Bluttransfusion vornimmt oder nicht. Der Lebensschutz hat grundsätzlich immer Vorrang!

Verweigert der gesetzliche Vertreter von Minderjährigen oder Personen, die ihre Interessen nicht selbst vertreten können, entgegen der Meinung der Ärzte die Zustimmung zu einer notwendigen Bluttransfusion, hat der gesetzliche Vertreter einen genehmigenden Beschluss des Bezirks-(Pflegschafts-)gerichtes beizubringen. Bei Dringlichkeit und Untätigkeit der gesetzlichen Vertreter hat der Arzt das Pflegschaftsgericht - gegebenenfalls auch telefonisch - zu verständigen; in jedem Fall ist die ärztliche Direktion auf dem Dienstweg ehest möglich zu verständigen.

Bei Gefahr im Verzug - im Notfall hat der Arzt nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden - lege artis - zu behandeln und eine erforderliche Bluttransfusion durchzuführen!

Beim ärztlichen Aufklärungsgespräch sollte unbedingt dokumentiert werden, dass der Patient keine Bluttransfusion an sich durchführen lassen will. Der Arzt sollte sich dies auch schriftlich und mit Unterschrift (am besten auch noch in Anwesenheit eines Zeugen) vom Patienten bestätigen lassen!

 

Warum lehnen Zeugen Jehovas Bluttransfusionen eigentlich ab?

Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas wurde im Jahr 1874 von einem Mann namens Charles Taze Russel in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania gegründet. Das Verbot einer Bluttransfusion gilt als absolut bindender Glaubenssatz der Gemeinschaft und wird aus der Bibel hergeleitet:

Apostelgeschichte 15: 28,29

"Denn es gefällt dem heiligen Geist und uns, euch weiter keine Last aufzuerlegen als nur diese notwendigen Dinge: dass ihr euch enthaltet vom Götzenopfer und vom Blut und vom Erstickten und von Unzucht. Wenn ihr euch davor bewahrt, tut ihr recht."

1. Mose 9:4

"Allein esset das Fleisch nicht mit seinem Blut, in dem sein Leben ist."

3. Mose 7: 26,27

"Ihr sollt auch kein Blut essen, weder vom Vieh, noch von den Vögeln, überall, wo ihr wohnt. Jeder, der Blut isst, wird ausgerottet werden aus seinem Volk."

 

Abgesehen von der Problematik mit den Bluttransfusionen bedenken Sie bei einer Begegnung mit einem Zeugen Jehovas:

Es geht an der Tür oder am Straßeneck - zumindest meiner Erfahrung nach - nie um ein echtes Gespräch und nie um einen gleichberechtigten Dialog in wahrer Toleranz. Es geht ausschließlich um das "Jüngermachen", um die Absonderung von der "falschen Religion". 

Es scheint deshalb in der Regel angebracht, freundlich aber bestimmt jedes "Gespräch", jede missionarische Bemühung abzulehnen. 

Man muss wissen, das jede Reaktion an der Haustür kurz in den "Haus-zu-Haus-Notizen" vermerkt wird. Ein Abnehmen des "Wachtturms", ein freundliches, ernst (oder auch nicht ernst) gemeintes Vertrösten auf ein andermal wird unweigerlich einen "Nachbesuch" nach sich ziehen! Durch die Notizen wird auch ein anderes Verkündigerpaar, das in diesem Sprengel eingeteilt ist, leicht in die Lage versetzt, den Faden aufzunehmen und missionarisch nachzuarbeiten!

 

In allen Fällen, wo man aber einer Auseinandersetzung mit Jehovas Zeugen nicht aus dem Weg gehen kann, besonders im Bereich der Familie, der Verwandtschaft und bei Kollegen, ist eine genaue Vorbereitung erforderlich. Dies erfordert eine ausführliche Information über die Wachtturm-Lehre und ein Nachdenken über den Standpunkt seines eigenen Glaubens. 

 

Meine persönliche Meinung:

Es ist sehr schwer, einen guten Rat für den richtigen Umgang mit Zeugen Jehovas zu geben. Zu sehr bestimmen die Gegensätze und Widersprüche, ihr horrender Umgang mit Geschichte und Wissenschaft, nicht nachvollziehbare Argumentationen und Missbräuche biblischer Aussagen das Verhältnis der "Wachtturm-Gläubigen" zu mir selbst.

Persönlich denke ich, dass grundsätzlich jedem Menschen - egal welchen Glaubens er hat, welcher Hautfarbe er ist etc. - mit Respekt und Achtung seiner Menschenwürde begegnet werden sollte; deshalb ist auch im Fall eines Zeugen Jehovas ein Mensch, der wahrscheinlich sogar guten Willens ist, zu sehen. Ein Idealist und Sucher, der im Gehorsam gegenüber "Gottes" Willen - wie er ihm eben durch die "Wachtturm-Gesellschaft" dargestellt wird - sein Heil und das Heil seiner Lieben erreichen will. 

Ich bin tatsächlich davon überzeugt, dass für jene Menschen in diesem religiösen "Schicksal" nie nur rationale und theologische Gründe, sondern genauso und wahrscheinlich viel mehr noch emotionelle, unbewusste und unterbewusste Motive und Momente eine bestimmende Rolle spielen...

 

Keine Mitwirkungspflicht bei Abtreibung und in vitro Fertilisationen

 

Abtreibung - §6 KAG

     "Die Weigerung eines Arztes, an einem straflosen Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, darf nicht zu nachteiligen Folgen für den Arzt führen oder mit solchen verbunden sein."

 

Ganz abgesehen davon, wie man zur Abtreibung steht, Frauen leiden immer mehr, als man gemeinhin annimmt.

Eine Haltung, die Abtreibende an sich und in jedem Fall ächtet finde ich überheblich. So können vermutlich nur Menschen reden, die selbst nie in existentieller Not waren. Wenn man jemanden keine Chance gibt, für die eigenen Taten selbst einzustehen, tut man so, als sei man selbst fehlerfrei und stehe über allen.

 

In vitro Fertilisation - §6 Fortpflanzungsmedizingesetz

     "Kein Arzt ist verpflichtet, eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchzuführen oder an ihr mitzuwirken. Dies gilt auch für Personen, die im Krankenpflegefachdienst, im medizinisch-technischen Dienst oder im Sanitätshilfsdienst tätig sind.

Niemand darf wegen der Durchführung an einer, den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechenden medizinisch unterstützten Fortpflanzung, der Mitwirkung daran oder wegen der Weigerung, eine solche durchzuführen bzw. daran mitzuwirken, in welcher Art immer, benachteiligt werden."

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